Zu Besuch bei den Kumaruara am Tapajós

Ein Frauentreffen in Araçazal

Um acht Uhr morgens schwärmen immer mehr Frauen in die offene Wohnküche des Kaziken Luis Kumaruara und seiner Frau Leninha Kumaruara. Dort gibt es erstmal ein Frühstück für alle: Tapioquinha (aus Maniokmehl hergestellte Fladen), Früchte, Brot und Kaffee. Wir sind im Dorf Araçazal am rechten Ufer des Tapajós. Hier findet heute ein Frauentreffen statt. Viele der rund 30 Teilnehmerinnen sind schon seit Stunden unterwegs. Sie kommen aus den acht Dörfern des Volks der Kumaruara und wollen sich über ihre Frauengruppen austauschen.


Die Männer kochen das Essen

Ich bin zusammen mit Marquinho Mota, der das Projekt zu indigenen Frauen beim ASW Partner FAOR koordiniert,  schon am Vortag mit dem Boot angereist – über die 13 km breite Mündung des Tapajós. Heute aber wird Marquinho die meiste Zeit in der Küche oder am Grill des Hauses des Kaziken verbringen – zusammen mit 5 anderen Männern. Denn „Frauentreffen“ bedeutet hier inzwischen ganz selbstverständlich: Die Männer müssen die Frauen bewirten und gegebenenfalls auch auf die Kleinkinder aufpassen, damit die Frauen sich in Ruhe und ohne zusätzlichen Aufwand (außer der Anreise) austauschen und organisieren können.


Mehr Unabhängigkeit durch eigene Einkommen

Nach dem Frühstück versammeln sich die Frauen im Schatten einer riesigen Maloca. Jede hat nun die Gelegenheit, sich vorzustellen und über den aktuellen Stand ihrer Frauengruppe zu berichten. Zwei der Frauengruppen haben bereits über das FAOR-Projekt die Mittel für einen Lehmofen erhalten und auch an einem Workshop zur Herstellung von Keramiken nach alten traditionellen Mustern teilgenommen. Andere Frauengruppen setzen eher auf traditionellen Schmuck und Bemalung.
In beiden Fällen ist der Verkauf für sie ein wichtiger Schritt zu mehr Unabhängigkeit, denn bislang sind es eher die Männer, die über Jobs in der Stadt oder durch den Verkauf von landwirtschaftlichen Produkten Geld verdienen können.
Auch wenn die Kumaruara wie viele der im Dachverband CITA organisierten 13 Völker in der Region unterer Tapajós vornehmlich noch in Subsistenz leben, werden doch auch Finanzmittel für Kleidung, Hygieneartikel, Möbel, Kühlschränke, Strom und Handys benötigt.


Frauentreffen ohne die Männer sind eine Errungenschaft

Die Frauen sind sichtlich stolz auf ihre erkämpften neuen Möglichkeiten. Es ist noch lange nicht selbstverständlich für viele der Frauen, dass sie von den Männern die Erlaubnis erhalten, für mehrere Stunden oder gar einen ganzen Tag das Haus zu verlassen. Und sich „nur“ mit anderen Frauen zu treffen, war für viele vor einiger Zeit noch unvorstellbar. Ohne das Projekt wären viele nicht einmal auf die Idee gekommen.

Manche haben inzwischen auch andere Regionen und andere Völker besucht, um sich dort mit indigenen Frauen auszutauschen. Das Projekt von FAOR hat diese ermöglicht. Ein weiterer Austausch mit den Munduruku und Apiaká auf der anderen Seite des Tapajós steht im Mai 2024 auf dem Programm. Und dann noch eine viel weitere Reise zu den „Guerreiras da Floresta“ der Guajajara im Bundessaat Maranhão.
Solche Abwesenheiten bedürfen einer guten Planung. daher ist auch der Projektkoordinator zum Abschluss des Treffens noch dazu gekommen. Ein junger Mann nimmt ebenso an der Sitzung teil und fotografiert fleißig. Er ist Teil eines Jugendkollektivs, welches die Treffen und auch die vielen anderen Aktivitäten seines Volkes dokumentiert.


Dokumentation von Verletzungen des Territoriums

Dazu gehören zum Beispiel Aktionen zur Verteidigung ihres Landes gegen Eindringlinge. Die Aufzeichnungen von diesen sind wichtig, um für die Behörden die Verletzung der territorialen Rechte durch die Eindringlinge nachzuweisen. Erst im März gab es eine solche Aktion, bei der die Kumaruara illegale Fischer aufspürten und die Umweltpolizei IBAMA darüber informierten. Diese stellte sodann die Fische sicher.

Die Finanzierung von Kameras und audiovisueller Workshops ist daher eine sehr sinnvolle und wirksame Unterstützung der Kumaruara-Gemeinschaften, die sichtbare Früchte trägt. Zum Abschluss erhalte ich noch eine Kostprobe der Keramiken und traditionellen Trinkgefäße, den Cujas für das Team der ASW in Berlin. Gerne nehme ich diese entgegen und hoffe, dass es auf der langen Rückreise keinen Schaden nimmt!

Silke Tribukait, 12.April 2024

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